Mary-Frances O’Connor, Saren H. Seeley
Aktuelle Studien aus der Trauerforschung legen nahe, dass die einflussreiche kognitive Stresstheorie um Erkenntnisse aus der kognitiven Neurowissenschaft erweitert werden sollte.
Wir haben Erkenntnisse der Gehirnforschung an Menschen und Tieren mit der Bindungstheorie verbunden und meinen, dass das semantische Wissen bezüglich der Unvergänglichkeit der Bezugsperson im Widerspruch steht zu den episodisch auftretenden, autobiografischen Erinnerungen an den Tod der Bezugsperson. Anhand dieses Widerspruchs lassen sich möglicherweise Unterschiede in der Dauer von Trauer sowie Vorhersagen über das Auftreten einer Anhaltenden Trauerstörung (ATS) erklären. Unser „Gone-But-Also-Everlasting”-Modell betont, dass Trauer eine Form des Lernens sein kann, die Zeit und korrigierende Erfahrungen erfordert. Schwierigkeiten vor dem Verlust, wie z. B. die Abhängigkeit vom Ehepartner oder das Volumen des Hippocampus, können das Lernen verlängern und eine ATS vorhersagen. Komplikationen wie Vermeidung, Grübeln und stressbedingte Hippocampusatrophie können sich auch nach dem Verlust entwickeln und funktionelle oder strukturelle Mechanismen schaffen, die das Auftreten einer ATS wahrscheinlicher machen.
O’Connor, M.-F.; Seeley, S. H. (2022). Grieving as a form of learning: Insights from neuroscience applied to grief and loss. Current Opinion in Psychology, Vol. 43, S. 317–322. doi: 10.1016/j.copsyc.2021.08.019.
Den Artikel finden Sie unter:
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8858332/pdf/nihms-1734749.pdf oder wenden Sie sich an Hildegard Willmann (h.willmann@trauerforschung.de) und nennen Sie Autor*innen, Jahr und den englischsprachigen Titel der Veröffentlichung.

