Nora Freya Lindemann

Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz ermöglichen neue Anwendungen. So können Chatbots etwa das Sprech- und Schreibverhalten einer bestimmten lebenden oder toten Person nachahmen.

Es wurden bereits "Deathbots", also Chatbots mit den Eigenschaften einer verstorbenen Person, von den ersten Start-up-Unternehmen entwickelt. Daher scheint es notwendig, die ethischen Implikationen von Deathbots zu untersuchen. Im Zusammenhang mit dieser technischen Neuerung bildete die Würde der Verstorbenen bislang den Mittelpunkt ethischer Überlegungen. Ich schlage vor, den Fokus auf die Würde und Autonomie der hinterbliebenen Nutzer von Deathbots zu verlagern. Anhand von Theorien aus den Bereichen Internetnutzungsforschung und Trauerforschung argumentiere ich, dass Deathbots einen negativen Einfluss auf den Trauerprozess bei Hinterbliebenen haben können. Sie können das emotionale und psychologische Wohlbefinden ihrer Nutzer einschränken. So besteht die Gefahr, dass Deathbot-Nutzer von ihren Bots abhängig werden. Damit einhergehend werden sie auch anfällig für Schleichwerbung durch Deathbot-Anbieter. Auch das kann die Autonomie der Nutzer einschränken. Gleichzeitig können sich Deathbots jedoch als hilfreich für Menschen erweisen, die unter langwierigen, schweren Trauerprozessen leiden. Ich warne vor dem uneingeschränkten Einsatz von Deathbots und schlage vor, sie als Medizinprodukte zu klassifizieren. Diese Einstufung würde nicht zuletzt bedeuten, dass ihre Unschädlichkeit sowie ihre Nützlichkeit für Menschen, die unter langwierigen Trauerprozessen leiden, nachgewiesen werden muss und dass ihr Potenzial für Autonomieverletzungen reduziert wird.
    
Lindemann, N. F. (2022). The Ethics of 'Deathbots', Science and Engineering Ethics, Vol. 28, Nr. 6. DOI: 10.1007/s11948-022-00417-x.

Den Artikel finden Sie online unter https://www.researchgate.net/publication/365676294_The_Ethics_of_%27Deathbots%27 oder wenden Sie sich an h.willmann@trauerforschung.de und nennen Sie Autor*innen, Jahr und den englischsprachigen Titel der Veröffentlichung.

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