Maarten C. Eisma, Henk A. W. Schut, Margaret S. Stroebe, Jan van den Bout, Wolfgang Stroebe, Paul A. Boelen

Grübeln ist ein Risikofaktor für die Bewältigung eines Verlustes. Es steht nicht nur im Zusammenhang mit psychischen Störungen infolge eines Verlustes, es kann diese auch vorhersagen. Welche Funktion das Grübeln bei Trauernden hat, ist jedoch noch unklar. In der Vergangenheit nahmen Forscher meist an, dass Grübeln eine Form von Konfrontation mit dem Verlust ist, die sich ungünstig auswirkt. Andere hingegen waren der Ansicht, dass das Grübeln dazu dient, schmerzhafte Aspekte des Verlustes zu vermeiden und auf diese Weise würde es auch zur Entstehung von Komplizierter Trauer beitragen.

Für diese Überlegung stützten sich die Wissenschaftler auf die Ausführungen der kognitiven Vermeidungstheorie, die erklärt, warum angstbesetzte Gedanken bei einer generalisierten Angststörung vermieden werden und welche Funktion dem Grübeln bei einer posttraumatischen Belastungsstörung zukommt.

Um zu erforschen, ob Grübeln in Verbindung mit verlustbezogener Vermeidung steht, wurde eine Eye Tracking Studie mit 54 Hinterbliebenen durchgeführt (27 davon grübelten viel, 27 grübelten wenig). In 24 Durchgängen blickten die Teilnehmer für 10 Sekunden auf ein Foto des Verstorbenen sowie auf das Foto einer fremden Person. Die Fotos wurden jeweils per Zufall mit negativen, neutralen und verlustbezogenen Begriffen kombiniert. Unsere Hypothese war, dass starke Grübler einen verlustbezogenen Reiz (Foto des Verstorbenen in Verbindung mit einem verlustbezogenen Wort) innerhalb von 1.500 Millisekunden erst aufmerksam betrachten und sich dann aber abwenden. Weiterhin nahmen wir an, dass starke Grübler bei etwas länger angebotenen Stimuli (1.500–10.000 Millisekunden) verlustbezogene Stimuli vermeiden und dem nicht-verlustbezogenen negativen Reiz mehr Aufmerksamkeit schenken würden (z.B. Foto einer unbekannten Person mit einem negativen Begriff).

Entgegen dieser Erwartungen fanden wir keinen Hinweis dafür, dass starke Grübler in den ersten 1.500 Millisekunden den verlustbezogenen Reizen zunächst eine erhöhte Aufmerksamkeit schenkten und sich dann von ihm abwendeten. Bei den längeren Zeitintervallen über 1.500–10.000 Millisekunden zeigte sich jedoch, dass die Teilnehmer, die viel grübelten, den Blick weniger lang auf den verlustbezogenen Reiz und länger auf negative (und neutrale) nicht-verlustbezogene Stimuli richteten. Dieser Effekt blieb auch dann erhalten, wenn die Ausprägung von Depression und Komplizierter Trauer berücksichtigt wurden. Vergleichbar zu diesem Ergebnis zeigte sich auch ein Zusammenhang zwischen Grübeln und der Dauer, in der die Teilnehmer ein Foto anschauten (starke Grübler fixierten das Foto ihres Verstorbenen (kombiniert mit einem verlustbezogenen Wort) weniger lang als Personen, die wenig grübeln.

Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass Grübeln und verlustbezogenes Vermeiden eng zusammenhängen. Für die klinische Arbeit kann dies bedeuten, dass sowohl das Grübeln als auch andere Schwierigkeiten bei der Verlustbewältigung dadurch verringert werden können, dass eher solche therapeutischen Methoden Anwendung finden, die mit dem Verlust konfrontieren und die Akzeptanz fördern.

Eisma, Maarten C.; Schut, Henk A. W.; Stroebe, Margaret S.; van den Bout, Jan; Stroebe, Wolfgang; Boelen, Paul A. (2014): “Is Rumination after Bereavement Linked with Loss Avoid-ance? Evidence from Eye-Tracking”, online kostenfrei abrufbar bei: PLOS ONE, Vol. 9, Nr. 8.

Bei Interesse finden Sie den gesamten englischsprachigen Artikel hier als PDF-Download.

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