Jason M. Holland, Kara L. Thompson, Vincent Rozalski, Wendy G. Lichtenthal

Fragestellung: Wenn der Ehepartner stirbt, bereuen einige Hinterbliebene, dass sie etwas nicht gesagt oder einen Konflikt ungelöst stehen gelassen haben. Der Umgang mit dieser verlustspezifischen Reue wird häufig als zentraler Faktor für die Anpassung an einen Verlust diskutiert. Bislang wurde das Thema Reue jedoch kaum empirisch erforscht. Die vorliegende Studie untersuchte bei älteren Witwen und Witwern, wie sich solche reuevollen Gedanken sowie die damit zusammenhängenden Begleiterscheinungen langfristig entwickeln.

Methoden: Für diese Studie wurden die Daten von 201 älteren Witwen und Witwern ausgewertet, die an der Changing Lives of Older Couples Studie teilgenommen hatten. Durch ein spezielles Analyseverfahren (die latente Klassenanalyse) wurde über einen Zeitzaum von 6 bis 48 Monaten nach dem Verlust herausgefiltert, wie sich die reuevollen Gedanken entwickelten. Gleichzeitig wurde geschaut, wie sich in dieser Zeit die depressive Symptomatik und andere Verlustreaktionen darstellten.
Ergebnisse: Es zeigten sich drei unterschiedliche Verläufe reuebezogener Gedanken: durchgängig geringe reuevolle Gedanken, durchgängig viele reuevolle Gedanken und viele reuevolle Gedanken, die mit der Zeit zunahmen. Dabei war erkennbar, dass die Personen aus der dritten Gruppe, bei denen sich die verlustspezifische Reue über den Studienzeitraum hinweg verschlimmerte, die größten Probleme mit der Anpassung an den Verlust hatten. Hinsichtlich der depressiven Beschwerden unterschieden sich die drei Gruppen nicht voneinander. Diese Ergebnisse könnten ein Beleg dafür sein, dass reuevolle Gedanken einen spezifischen Risikofaktor bei der Verlustverarbeitung darstellen.
Diskussion: Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, in regelmäßigen Abständen nachzufragen, ob Hinterbliebene reuvolle Gedanken haben (in diesem Zusammenhang kann es auch wichtig sein nach anderen Aspekten der fortgesetzten Bindung zum Verstorbenen zu fragen). Entsprechend könnten Fachkräfte überprüfen, ob die von ihnen eingesetzten Interventionen zur Bearbeitung dieser spezifischen Probleme geeignet sind und eventuell auch neue Verfahren einsetzen, bei denen dies der Fall ist.

Holland, Jason M.; Thompson, Kara L.; Rozalski, Vincent; Lichtenthal, Wendy G. (2014): “Bereavement-related regret trajectories among widowed older adults”, in: Journals of Gerontology, Series B: Psychological Sciences and Social Sciences, Vol. 69, Nr. 1, S. 40–47.

Bei Interesse finden Sie den gesamten englischsprachigen Artikel hier als PDF-Download.

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